BREMEN

Morgens hatte es geschüttet wie in Indien, tagsüber schien die Sonne heiß vom tiefblauen Himmel und gegen abend zogen wieder dunkle Wolken auf

„Bremer Wetter“, klagte einer der Tischgenossen, „das ist unser Handikap im Vergleich zu anderen Städten.“

„Das geht vorüber“, tröstete ich den Lokalpatrioten, „in zwanzig Jahren werden Sie hier Riesling anpflanzen. Dann haben Sie bald einen Weintourismus wie wir im Breisgau!“

„Und worauf beruht Ihr Optimismus?“, fragte eine elegante, dreifache Reederswitwe, die, wie mir vorher zugeflüstert wurde, mehr Containerschiffe besitzt als ein Beamter in der Mittagspause auf dem Papier versenken kann.

„Es ist der Klimawandel“, prophezeie ich. „Vorausgesetzt, dass die Bahn mitspielt.

Das erregt die Neugier der Weinfreunde, die sich im Club der Bremer zusammengefunden hatte, und ich rekapituliere die haarsträubende Fahrt mit dem ICE von Offenburg nach Bremen, mit den zahlreichen Verspätungen, dem Auskünfte verweigerndem Personal, den Zugausfällen, der überraschenden Verlegungen der 1.Klasse Wagons vom vorderen Ende zum hinteren, was einige ältere Passagiere zwang, den endlos langen ICE mit ihren Koffern entlang zu hasten. Reservierungen wurden außer Kraft gesetzt und überhaupt gelang es der Bahn glänzend, das tägliche Chaos auf den Schienen in Gang zu setzen, das wir dem Personalabbau verdanken, der uns Passagieren als notwendige Einsparung zugemutet wird.

Aber einmal angekommen, fühlt man sich in Bremen nur wohl. Die touristischen Attraktionen wie die phantastische Böttcherstrasse, das prachtvolle Renaissance-Rathaus und überhaupt die Stadtarchitektur, soweit sie im Krieg nicht zerstört bzw. danach restauriert wurde, ist von einer noblen Schönheit, die den putzigen Barock des Südens an Würde bei weitem überstrahlt.

Dazu gehört auch der Aufenthalt im Parkhotel Bremen, das zu den angenehmsten Grand Hotels der Bundesrepublik zählt. Es besitzt jenen Luxus, den wir hanseatisch nennen. Das heißt, es ist durch und durch solide, ohne protzig zu sein. Wo in anderen, ähnlichen Häusern das Gold blitzt und glänzt, beeindruckt im Parkhotel das Traditionelle.

In Bremen ist viel altes Geld, wissen die Taxifahrer zu berichten, während der Gast überlegt, wie die Bremer Stadt­musikanten in das Bild von den meerbeherrschenden Handelsflotten der reichen Familien passen.

Aber irgendwie verblasst dieser sozialkritische Gedanke hinter dem Rauschen der Fontäne im großen Teich vor dem Hotel, wo man sich dem Nichtstun auf der großen Terrasse über dem gepflegten Park mit leichtem Herzen hingibt.

Die Küche ist ebenso engagiert wie seriös, hat aber nicht mehr das 2-Stern-Niveau des vor zwei Jahren gegangenen Küchenchefs, dessen kulinarische Vorstöße in die Avantgardküche eine Attraktion eigener Güte darstellten. Dennoch fühlt man sich in diesem Haus mit seinen großen, hellen Zimmern bestens aufgehoben.

Bremen hatte außer dem Parkhotel nie ein gastronomisches Glanzlicht, wenn man von Grasshoff einmal absieht, diese gelungene Imitation eines Pariser Bistros, wo die Gäste seit Jahren glücklich in der Dekoration eines Feinkostladens sitzen und Königsberger Klopse und andere Beispiele der klassischen Küche essen.

Und das Trinken nicht zu vergessen! Die Bremer Hedonisten stört die Bedeutung des Grünkohls als regionales Traditionsessen nicht im geringsten. Ob sie dem von mir wenig geschätzten Wintergemüse mit Schnaps, Bier oder Portwein zu Leibe rücken, habe ich nie erkunden wollen. Die Weinkarten jedenfalls sind hier in Deutschlands Norden beeindruckend, das zuständige Personal ist äußerst sachverständig. Trotzdem überrascht es, ein so eindrucksvolles Prunkstück zu entdecken wie den großen Glasschrank im Park Hotel, der gefüllt ist mit den hellgelben bis hellbraunen Weinen eines einzigen Weinguts: hier lagern mehr Jahrgänge des Château d’Yquem, als die meisten Weintrinker normalerweise auch nur zu sehen bekommen. Da überrascht es dann kaum noch, dass der Ratskeller im Alten Rathaus (wo man in Nischen sitzen kann wie in Beichtstühlen) sich rühmt, den größten Bestand an deutschen Weinen zu besitzen. Wer dem begeisterten Kellermeister und Wein-Freak Karl-Josef Krötz nur zehn Minuten zuhört, wird nicht wagen, daran zu zweifeln.

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