SCHRAUBVERSCHLÜSSE, JA BITTE!

Der Deutsche Konsument scheint ein ausgepichter Weinkenner zu sein. Denn nichts wird in den Fachmedien so häufig diskutiert wie die Frage, ob die neuartigen Schraubverschlüsse den herkömmlichen Korken überlegen sind, und ob ein Wein in der Flasche nicht auch ohne Naturkorken „müffeln“ kann.

Dazu ist zunächst zu sagen, dass der normale Konsument, der vielleicht am Samstag mal ein oder zwei Viertel Wein trinkt, nie und nimmer in der Lage ist, einen korkigen Wein auch nur zu erkennen. Unendlich viele Flaschen mit korkigem Wein sind  in Deutschland ausgeschenkt worden, ohne dass die Gäste überhaupt das Fehlerhafte des Weins gerochen oder geschmeckt hätten. Denn dazu gehört schon eine beachtliche Erfahrung, um zwischen der Trinkbarkeit eines Weins und einem Korkgeschmack zu unterscheiden.

Vor allem, weil es sich nur selten um einen ausgewachsenen Stinker handelt, sondern um leichte oder schwerere Variationen des Fehlers. Ein verdorbener Wein kann von der geübten Nase eines Sommeliers erschnüffelt werden, während die Mitglieder einer größeren Tischgesellschaft ihn wortlos akzeptieren werden, weil sie kein Weingedächtnis haben, das ihnen sagt: Halt, hier stimmt was nicht!

Es ist so ähnlich wie mit der Strahlenbelastung. Seit Fukushima ist sie ein Lieblingsthema deutscher Bedenkenträger. Die unterscheiden routiniert zwischen 1 Millisievert und 10 mSv, und würden am liebsten mit weniger als 1 mSv leben. So wie die Weinschlotzer ohne Korkgeschmack.

Beide würden es jedoch nicht bemerken, wenn sie die möglichen  Schwankungen bis 20 mSv in der Nase hätten oder einen Korkgeschmack, der einen Weinkenner sich bekreuzigen ließe.

Also plädiere ich für Schraubverschlüsse. Die sind viel weniger auffällig als Schutzanzüge gegen Radioaktivität.

2 Comments | Hinterlasse einen Kommentar

  1. BuschWein |

    Lieber Herr Siebeck
    Mit Verlaub, um festzustellen, dass ein Wein nach Kork (eigentlich ja nach TCA) müffelt muss man kein großer Weinkenner sein, auch kein DSommelier und man braucht auch kein großartiges Weingedächtnis. TCA kann jeder erschnüffeln und wenn man den Weintrinker einmal darauf hingewiesen hat, dann dann wird er das je nach Nase und Sensibilität für TCA auch immer wieder reproduzieren können.

    Und der Vergleich mit Radioaktiver Strahlung ist ja nun mehr als an den Haaren herbeigezogen, die kann nämlich kein Mensch „spüren“, das ist es ja was die Strahlung so gefährlich macht, man merkt es nicht. Ob dann der jeweilige Grenzwert der richtige ist, darüber dürfen dann die Experten streiten. Dass aber auch schon niedrige Dosierungen über einen langen Zeitraum exponiert eine gesundheitliche Beeinträchtigung nach sich ziehen, das ist heute nur noch bei extremen Kernkraftbefürwortern bestritten.

    Nichts für ungut und weiterhin viel Spaß an unkorkigen Weinen. Ihre Überschrift unterstütze ich aber gern: „Schraubverschlüsse, ja bitte!“

  2. Sean |

    Im Fernsehen wurde eine Dokumentation ausgestrahlt, in der der Immunologe und Kochbuchautor Beda Stadler zusammen mit Didi Bruna von „Didis Frieden“ zusammen kochten. Didi Bruna verwendete korkigen Wein in seinen Saucen und Fonds.
    Laut dem Immunologen verschwindet das TCA beim kochen.

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